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aus dem Sattel, band sein Pferd fest und rannte auf Sarah zu.
Die Art, wie ihr Bein unter dem gestürzten Pferd eingeklemmt
war, ließ die Befürchtung in ihm hochsteigen, daß es
gebrochen war. Wegen des tiefen Schnees war das Bein jedoch
nicht wirklich eingequetscht, so daß er es vorsichtig unter dem
Rumpf des Pferdes hervorziehen konnte. Dann ergriff er die
Zügel der Schecke und versuchte, sie hochzuziehen. Nur mit
Mühe richtete sich das Tier auf, und als Bourne es schließlich
doch befreit hatte, band er es an eine Fichte. Und nun brachen
die Anstrengung und der Schock, den ihm der Tod von Claire
beigebracht hatte, vollends über ihn herein. Seine Beine began-
nen zu zittern, und er konnte sich gerade noch auf einem
umgestürzten Baumstamm niederlassen, bevor er endgültig
zusammengebrochen wäre. Der Sturm hatte inzwischen
nachgelassen. Auch der Schnee fiel weniger dicht, zumal die
Bäume einiges davon abhielten. Die Zweige der Fichten
wiegten sich nur noch ganz sanft in dem nachlassenden Wind.
Als der Schneesturm endgültig vorüber war und die letzten
verstreuten Wolken über den Abendhimmel zogen, legte sich
eine Art gedämpfter Stille über den Wald. Nur hin und wieder
löste sich eine Ladung Schnee von einem Fichtenzweig und
schlug mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden auf.
»Wo ist denn Mami?« wollte Sarah wissen. Sie kroch auf ihn
zu. Der alles umhüllende Schnee dämpfte ihre Stimme.
Seine Arme und Beine wollte nicht zu zittern aufhören.
»Wo ist Mami?« fragte Sarah noch einmal.
»Sie ist noch dort unten.«
»Warum kommt sie nicht nach?«
Er gab keine Antwort.
»Kommt sie denn noch nach?«
»Ich glaube nicht.«
Der Anblick ihres Gesichts, durch das die Kugel geschlagen
war, ließ ihn nicht mehr los. Er sah zu den Wolken am Himmel
empor, um dann seine Blicke auf seine Hände niedergleiten zu
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lassen. Sie hörten nicht auf zu zittern. Schließlich streckte er
sie nach Sarah aus.
»Deine Mutter ist tot, Liebling.« Er zog sie an sich. Sie
bewegte sich kein einziges Mal, während er sie an sich preßte.
Als er sie dann ein Stück von sich hielt, um ihr Gesicht sehen
zu können, hatte es sich nicht verändert. Es war genauso kalt
und grau und ausdruckslos wie in den Tagen zuvor.
»Was ist mit ihr passiert?«
»Sie wurde erschossen.«
»Bist du sicher?«
»Als wir durch diese Wiese außerhalb der Ortschaft geritten
sind, habe ich gesehen, wie sie vom Pferd stürzte.«
»Bist du sicher, daß sie tot ist?«
»Ja, ganz sicher.«
Und er drückte sie wieder an sich. Ihre Fragen hatten jedoch
etwas in ihm ausgelöst. Und in dieser Nacht setzten dann die
Zweifel ein, die ihn nie mehr loslassen sollten.
Der Schneesturm, der über das flache Grasland dort unten
hinweggefegt war, die panische Hektik ihrer Flucht; und er
hatte nur ganz kurz ihr Gesicht gesehen, als sie vom Pferd
stürzte. Ihm war es wesentlich länger erschienen, aber
vermutlich hatte es sich dabei nur um den flüchtigen Eindruck
eines Bruchteils einer Sekunde gehandelt. Vielleicht war sie
doch nicht tot. Vielleicht hatte der Schuß sie nur gestreift.
Vielleicht wäre sie noch zu retten gewesen, wenn er angehalten
und sie auf seinem Pferd mitgenommen hätte.
Nein, das war alles nur Einbildung. Das war nicht nur Blut
gewesen in ihrem Gesicht, sondern offenes Fleisch. Und das
Loch in ihrem Hinterkopf hatte ausgesehen, als hätte ihr
jemand mit einem Eispickel den Schädel zertrümmert. Sie war
bereits tot gewesen, noch bevor sie auf dem Boden aufschlug,
und nichts würde sie wieder zum Leben erwecken, sosehr er
sich auch den Kopf zermarterte.
Aber der Anblick ihres Gesichts, das klaffende Loch in
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ihrem Hinterkopf, ließ ihn nicht los. Und während er nun Sarah
an sich preßte, versuchte er verzweifelt, diese quälenden
Gedanken aus seinem Kopf zu vertreiben. Die Augen
krampfhaft zusammenkneifend, an seinen Lippen nagend, die
Fäuste zitternd zusammengeballt, wurde ihm langsam bewußt,
daß sein Schock in Wirklichkeit die Angst war, dieses
zerschossene Gesicht hätte das seine sein können. Was für ein
Gefühl wäre es wohl gewesen, über den Boden zu wirbeln, ein
entsetzlicher Schmerz den ganzen Kopf durchzuckend. Und
seine Schuldgefühle vergrößerten sich dadurch nur noch. Claire
war tot, und er dachte an sich selbst. Und als sich unter diese
Gedanken nun auch noch in Erinnerung der Geschichte des
alten Mannes von dem Indianermädchen die Vorstellung
mischte, was sie Claire möglicherweise noch angetan hatten,
wuchsen seine Schuldgefühle ins Unerträgliche. Er hätte sie
nicht einfach dort unten zurücklassen dürfen.
Nein, er hätte sie unter keinen Umständen so schmählich im
Stich lassen dürfen.
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