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ganze Seele füllen muß, in unterbrochenen, zusammengegeizten Stunden könne hervorgebracht
werden. Nein, der Dichter muß ganz sich, ganz in seinen geliebten Gegenständen leben. Er, der vom
Himmel innerlich auf das köstlichste begabt ist, der einen sich immer selbst vermehrenden Schatz
im Busen bewahrt, er muß auch von außen ungestört mit seinen Schätzen in der stillen Glückseligkeit
leben, die ein Reicher vergebens mit aufgehäuften Gütern um sich hervorzubringen sucht. Sieh die
Menschen an, wie sie nach Glück und Vergnügen rennen! Ihre Wünsche, ihre Mühe, ihr Geld jagen
rastlos, und wonach? Nach dem, was der Dichter von der Natur erhalten hat, nach dem Genuß der
Welt, nach dem Mitgefühl seiner selbst in andern, nach einem harmonischen Zusammensein mit
vielen oft unvereinbaren Dingen.
Was beunruhiget die Menschen, als daß sie ihre Begriffe nicht mit den Sachen verbinden können,
daß der Genuß sich ihnen unter den Händen wegstiehlt, daß das Gewünschte zu spät kommt und daß alles
Erreichte und Erlangte auf ihr Herz nicht die Wirkung tut, welche die Begierde uns in der Ferne
ahnen läßt. Gleichsam wie einen Gott hat das Schicksal den Dichter über dieses alles hinübergesetzt.
Er sieht das Gewirre der Leidenschaften, Familien und Reiche sich zwecklos bewegen, er sieht
die unauflöslichen Rätsel der Mißverständnisse, denen oft nur ein einsilbiges Wort zur Entwicklung
fehlt, unsäglich verderbliche Verwirrungen verursachen. Er fühlt das Traurige und das Freudige jedes
Menschenschicksals mit. Wenn der Weltmensch in einer abzehrenden Melancholie über großen
Verlust seine Tage hinschleicht oder in ausgelassener Freude seinem Schicksale entgegengeht,
so schreitet die empfängliche, leichtbewegliche Seele des Dichters wie die wandelnde Sonne von
Nacht zu Tag fort, und mit leisen Übergängen stimmt seine Harfe zu Freude und Leid. Eingeboren
auf dem Grund seines Herzens wächst die schöne Blume der Weisheit hervor, und wenn die andern
wachend träumen und von ungeheuren Vorstellungen aus allen ihren Sinnen geängstiget werden, so
lebt er den Traum des Lebens als ein Wachender, und das Seltenste, was geschieht, ist ihm
zugleich Vergangenheit und Zukunft. Und so ist der Dichter zugleich Lehrer, Wahrsager, Freund
der Götter und der Menschen. Wie! willst du, daß er zu einem kümmerlichen Gewerbe heruntersteige?
Er, der wie ein Vogel gebaut ist, um die Welt zu überschweben, auf hohen Gipfeln zu nisten und
seine Nahrung von Knospen und Früchten, einen Zweig mit dem andern leicht verwechselnd, zu
nehmen, er sollte zugleich wie der Stier am Pfluge ziehen, wie der Hund sich auf eine Fährte
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gewöhnen oder vielleicht gar, an die Kette geschlossen, einen Meierhof durch sein Bellen sichern?«
Werner hatte, wie man sich denken kann, mit Verwunderung zugehört. »Wenn nur auch die
Menschen«, fiel er ihm ein, »wie die Vögel gemacht wären und, ohne daß sie spinnen und weben,
holdselige Tage in beständigem Genuß zubringen könnten! Wenn sie nur auch bei Ankunft des
Winters sich so leicht in ferne Gegenden begäben, dem Mangel auszuweichen und sich vor dem
Froste zu sichern!«
»So haben die Dichter in Zeiten gelebt, wo das Ehrwürdige mehr erkannt ward«, rief Wilhelm aus,
»und so sollten sie immer leben. Genugsam in ihrem Innersten ausgestattet, bedurften sie wenig
von außen; die Gabe, schöne Empfindungen, herrliche Bilder den Menschen in süßen, sich an jeden
Gegenstand anschmiegenden Worten und Melodien mitzuteilen, bezauberte von jeher die Welt
und war für den Begabten ein reichliches Erbteil. An der Könige Höfen, an den Tischen der Reichen,
vor den Türen der Verliebten horchte man auf sie, indem sich das Ohr und die Seele für alles andere
verschloß, wie man sich seligpreist und entzückt stillesteht, wenn aus den Gebüschen, durch die man
wandelt, die Stimme der Nachtigall gewaltig rührend hervordringt! Sie fanden eine gastfreie Welt,
und ihr niedrig scheinender Stand erhöhte sie nur desto mehr. Der Held lauschte ihren Gesängen,
und der Überwinder der Welt huldigte einem Dichter, weil er fühlte, daß ohne diesen sein ungeheures
Dasein nur wie ein Sturmwind vorüberfahren würde; der Liebende wünschte sein Verlangen und
seinen Genuß so tausendfach und so harmonisch zu fühlen, als ihn die beseelte Lippe zu schildern
verstand; und selbst der Reiche konnte seine Besitztümer, seine Abgötter, nicht mit eigenen Augen
so kostbar sehen, als sie ihm vom Glanz des allen Wert fühlenden und erhöhenden Geistes
beleuchtet erschienen. Ja, wer hat, wenn du willst, Götter gebildet, uns zu ihnen erhoben, sie zu
uns herniedergebracht, als der Dichter?«
»Mein Freund«, versetzte Werner nach einigem Nachdenken, »ich habe schon oft bedauert, daß
du das, was du so lebhaft fühlst, mit Gewalt aus deiner Seele zu verbannen strebst. Ich müßte mich
sehr irren, wenn du nicht besser tätest, dir selbst einigermaßen nachzugeben, als dich durch die
Widersprüche eines so harten Entsagens aufzureiben und dir mit der einen unschuldigen Freude
den Genuß aller übrigen zu entziehen.«
»Darf ich dir's gestehen, mein Freund«, versetzte der andre, »und wirst du mich nicht lächerlich
finden, wenn ich dir bekenne, daß jene Bilder mich noch immer verfolgen, sosehr ich sie fliehe, und
daß, wenn ich mein Herz untersuche, alle frühen Wünsche fest, ja noch fester als sonst darin haften?
Doch was bleibt mir Unglücklichem gegenwärtig übrig? Ach, wer mir vorausgesagt hätte, daß die Arme
meines Geistes so bald zerschmettert werden sollten, mit denen ich ins Unendliche griff und mit
denen ich doch gewiß ein Großes zu umfassen hoffte, wer mir das vorausgesagt hätte, würde mich zur
Verzweiflung gebracht haben. Und noch jetzt, da das Gericht über mich ergangen ist, jetzt, da ich
die verloren habe, die anstatt einer Gottheit mich zu meinen Wünschen hinüberführen sollte, was
bleibt mir übrig, als mich den bittersten Schmerzen zu überlassen? O mein Bruder«, fuhr er fort, »ich [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]

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